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Der Tag des Spatzen

Der Tag des Spatzen ist ein politischer Naturfilm. Er handelt von einem Land, in dem die Grenze zwischen Krieg und Frieden verschwindet. Am 14. November 2005 wird im holländischen Leeuwarden ein Spatz erschossen, nachdem er 23000 Dominosteine umgeworfen hat. In Kabul stirbt ein deutscher Soldat in Folge eines Selbstmordattentates.

Das Nebeneinander der Schlagzeilen wird zum Anlass für Regisseur Philip Scheffner, sich mit den Methoden der Ornithologie auf die Suche nach dem Krieg zu machen. In Deutschland, nicht in Afghanistan. Denn hier stellt sich die Frage: Leben wir im Frieden oder im Krieg?

Seine Reise beginnt an der Ostsee, 1974 auf Super-8, Kindheitserinnerungen an ein Vogelschutzgebiet zwischen Truppenübungsplatz und Segelhafen. Genau notiert die täglichen Vogelsichtungen, ungeachtet des Dröhnens der Flugabwehrraketen über der Bucht. Den sicheren Hide hinter dem Deich verlassend, umkreist die Kamera Ort für Ort die Realität des Krieges, in Bildern scheinbaren Friedens. Dialoge aus zufälligen Begegnungen wehen als Tonfragmente durch die menschenleeren Landschaften von Eifel, Mosel und Uckermark, von Bonn bis Berlin. Dabei bleiben die Vögel als Protagonisten immer im Fokus des Objektivs. Sie sitzen in Kanonenrohren, auf Zäunen, flattern über Wiesen und Felder, in die sich der Krieg längst eingeschrieben hat. Hier wird er gemacht, dieser Krieg: Mit Worten und Bildern zielt man auf die Köpfe und Herzen der Menschen in den Einsatzgebieten, sammelt und verwertet wissenschaftliche Daten, verteilt Flugdrachen mit der Aufschrift: Man kann das Leben durch Freiheit schmücken.

Es handelt sich nicht um eine Militarisierung, die über Nacht geschehen ist. Sie hat langsam stattgefunden, im Schatten des Kalten Krieges, mit dem Versprechen sicherer Arbeitsplätze. Womit wir uns auseinandersetzen müssen ist dass der Ernstfall eingetreten ist. Dieser Krieg ist keine Theorie mehr.

Fünf Kraniche kreisen am Himmel, und der Soldat zieht die Bilanz seines Einsatzes in Kabul: Ein zweites Vietnam. Ich wollte meine Ruhe wieder finden. Und ich mag die Landschaft hier, die Umgebung. Das ist für mich wie ne Festung. Also wenn das jetzt mal seelisch betrachtet. Kann man „Goldener Käfig“ sagen, ich finde „Festung“ besser.

Dazwischen, in Form von Emails, Memos und Telefonaten, die Kommunikation zwischen dem Regisseur und der Bundeswehr. Versteckt hinter bürokratischer Sprache lauert die Angst vor der Öffentlichkeit. Ein politischer Apparat entlarvt sich selbst: Das wird überhaupt nicht honoriert, wenn wir Fragen stellen. Und meine Erwartung wäre eher, wenn wir zeigen, dass wir solche Diskussionen führen und Fragen stellen, dann ist das nicht gut für unser Image.

Und plötzlich wechselt die Perspektive. Ein Freund des Filmemachers wird auf einer Landstraße in Brandenburg verhaftet. Die Vogelbeobachter werden selbst zum Objekt der Beobachtung. Gegen diesen Krieg gibt es keine Massenbewegung, umso wichtiger wird die Haltung des Einzelnen: Also der Punkt ist eigentlich tagtäglich da, also da gibt es keine bestimmte historische Phase, wo es sich lohnen würde Widerstand zu leisten, die gibt’s nicht. Die muss man selber erzeugen.

Am Ende steht ein verschobener Blick auf das Vertraute: ein Truppenübungsplatz an der Ostsee, zwischen Vogelschutzgebiet und Segelhafen. Raketeneinschläge peitschen das türkisblaue Wasser auf, über dem die Vögel unbeirrt weiter ziehen.